[Trondheim und der Whirlpool – ] – Die Nacht ist wohl recht ruhig gewesen – anders ist es nicht zu erklären, dass ich weder von der Fahrt noch dem Anlegemanöver um 6.00 Uhr in Trondheim etwas mitbekommen habe. Und so ist es nun auch schon kurz nach Acht und damit dringend Zeit zum Aufstehen.
Nach der üblichen Visite in der Nasszelle führt der Weg nun direkt zum Frühstücksbuffet ins Restaurant. Zu “Frokost” ist hier freie Sitzplatzwahl angesagt, wobei ich (von irgendetwas im Inneren gesteuert) dann doch “meinen” vom Abendessen bekannten Tisch ansteuere.
Das Buffet selbst ist umfangreich: neben verschiedenen Sorten Brot, eine Art Brötchen und Knäckebrot in allen Variationen gibt es für den Belag eine ähnliche Auswahl wie wir sie kennen – Schinken, Salami, Käse, Marmelade, Nuss-Nougat-Creme und vieles mehr. Gekochte Eier, verschiedene Salate und natürlich Fisch in allen Variationen (die in Sherry marinierten Heringshappen sind wirklich köstlich). Natürlich fehlen auch nicht die üblichen Cerealien sowie Joghurt, Quark und Obst.
Interessant hat im Übrigen eine warme, graue Masse geschmeckt – da weiß ich allerdings noch nicht, was es ist (und genau hier hat natürlich kein Schild gestanden. Aber Hauptsache neben den gelben Scheiben steht “Käse” geschrieben …) Naja, das bekomme ich schon noch heraus …
Ach ja, noch etwas … Norweger scheinen Tuben zu mögen – jedenfalls gibt es vieles (z.B. die Nuss-Nougat-Creme) in Verpackungen, die wir eher für eine Zahnpastaprobe halten würden. Ob es Kaviar natürlich verdient hat, auch so serviert zu werden, sei einmal dahin gestellt … Und was ein fröhlich lachendes Kindergesicht auf Leberpastete zu suchen hat … man weiß es nicht … ;-)
In der Nacht scheint es im Übrigen auch hier ein bisschen geschneit zu haben – zumindest sind die Berge, Häuser und auch die Bürgersteige schneebedeckt. Wir nähern uns dem Winter also unaufhörlich …
Ein kleiner Spaziergang nach Trondheim (etwa zwanzig Minuten vom Schiff bis ins “Sentrum”) führt durch enge Gassen, über die Bybrua (eine hölzerne Klappbrücke aus dem 19. Jh.), an schönen Holzhäusern vorbei zum Nidaros-Dom, dessen Bau im Jahre 1070 begonnen und in dem alle norwegischen Krönungszeremonien durchgeführt wurden.
Den Rückweg zum Schiff begleitet ein kleines Schneetreiben – aber so war ja der Plan ;-) Und wo könnte man sich besser aufwärmen als im warmen Wasser? Also ab in den Whirlpool auf dem Sonnendeck … Hier wäre im Übrigen ein Bademantel eine nette Sache gewesen, dann hätte sich das Umziehen an Deck bei Temperaturen um den Nullpunkt etwas einfacher gestaltet – naja, merke ich mir für’s nächste Mal mit Hurtigruten…
Unter den Augen einiger Beobachter (die allerdings alle merklich wärmer angezogen waren) geht es wenige Stufen hinauf und dann hinein ins warme Wasser … Sagte ich “warmes Wasser”? So kann man sich täuschen – das war nicht warm, das war kochend heiß … nie war ich gedanklich einem Frühstücksei näher als in diesem Moment. Hilft aber nix – die Auswahl bestand ja nur aus “zu heiß” (im Whirlpool) und “zu kalt” in der Badehose auf Deck 9. Also rein und auf die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers vertraut. Und in der Tat, nach wenigen Minuten tat es auch schon gar nicht mehr weh ;-) Nein im Ernst, nach einer kurzen Eingewöhnungsphase war es einfach nur noch genial: leichter Schneefall, rundherum schneebedeckte Berge und selbst im warmen Blubberwasser … Das zieht in den nächsten Tagen Wiederholungen nach sich.
Und so nebenbei: bis sich zwei weitere Mitreisende vom “Whirlpool-Fieber” haben anstecken lassen und sich zu mir gesellten, war ich für wenige Minuten sicherlich das am meisten fotografierte Objekt auf dem Schiff (natürlich immer nur im Hintergrund und zu Dokumentationszwecken, dass das Schiff auch einen Whirlpool zu bieten hat) …
Weiter geht’s aber nun auf unserer Fahrt: wir lassen Trondheim hinter uns und setzen unseren Weg in Richtung Norden fort. Das nächste Ziel ist Rørvik gegen 20.45 Uhr. Die Fahrt verläuft ruhig und bietet auf dem Weg durch den Trondheim-Fjord (der drittgrößte Fjord Norwegens) viel zu Fotografieren. Unter anderem passieren wir bei Stokksund eine Passage im Zick-Zack-Kurs, die an der schmalsten Stelle nur 42 m breit und mit zahlreichen Untiefen gespickt ist – bei einer Schiffsbreite von 21,50 m hat das dann schon ein bisschen was von Abenteuer …
Kurz vor dem Abendessen meldet sich dann der Kapitän noch einmal zu Wort. Wir haben jetzt die Stelle erreicht, an der wir für die nächsten beiden Stunden offene See vor uns haben und – wie sollte es anders sein – wir mit “rough sea” rechnen müssen. Super, Seegang beim Dinner – das habe ich gebraucht.
Schon der Weg ins Restaurant ist eine Herausforderung: auf der rechten Gangseite losgelaufen, auf der linken angekommen. Jaja, eine Seefahrt, die ist lustig, … Die Herrschaften, die hier mit dem Rollator unterwegs sind, haben da einen echten Vorteil …
Das Restaurant ist erwartungsgemäß leerer als sonst, obwohl ich erstaunt bin, wie viele seegangresistente Mitreisende an Bord sind. Kann aber auch sein, dass alle nach demselben Prinzip vorgehen wie ich: “Schau’n mer mal …”
Heute wird als Vorspeise ein Tomatensalat mit Schafskäse in einer Knoblauchvinaigrette gereicht. Anschließend gibt es Rinderfilet mit Kartoffelgratin und zum Abschluss ein (gefrorenes) Moccaparfait an Moltebeeren. Sehr lecker das Ganze, auch wenn ich nach wie vor nicht weiß, was Moltebeeren sind (ich erkenne sie jetzt allerdings, wenn ich sie auf einem Teller sehe).
Im Übrigen hat sich das Restaurant reziprok proportional zum Seegang geleert. Der eine oder andere hatte die Tüte ja schon mal prophylaktisch mit hineingenommen (das waren die, die wie ich “mal schauen wollten”), zumindest zwei haben sie beim Gehen auch wieder dabei gehabt – allerdings gefüllt ;-)
Zwischen Hauptgang und Dessert beruhigt sich der Seegang jedoch deutlich, so dass ich meinen beim Rinderfilet angedachten Plan, das Dessert vielleicht doch nicht zu essen, verwerfe und im netten Gespräch über die Kölner Baustelle(n), das Verhältnis zwischen Kölnern und Düsseldorfern (“welches Verhältnis?”) und den Rückzug von Dieter Müller aus dem aktiven Kochgeschäft das Abendessen beende.
Draußen ist es nach wie vor dunkel, so dass jetzt Entspannung beim Lesen und einem Tatort angesagt ist, zumal die heute Nacht angelaufenen Häfen Rørvik, Brønnøysund, Sandnessjøen und Nesna mit jeweils nur wenigen Minuten Aufenthalt auch nicht wirklich zum Aufbleiben verleiten …
Polarkreis, Sandstraumen und Magic Ice
Eins vorweg – von wegen “schönste Seereise der Welt” … Das kann ich so nicht wirklich stehen lassen – nach dem heutigen Tag würde ich “allerschönste Seereise der Welt” angemessener finden. Doch eins nach dem anderen …
Um 7 Uhr 17 Minuten und 57 Sekunden meldet sich unser Kapitän zum ersten Mal über die Lautsprecheranlage und informiert uns, dass wir den Polarkreis überfahren. Der Polarkreis ist ein unsichtbarer Ring um die Erdkugel bei 66° 33′ Nord; er markiert den südlichsten Punkt, an dem die Mitternachtssonne 24 Stunden lang scheint. Exakt auf dieser Linie liegt der Punkt der Sonnenwende am 21. Juni und 21. Dezember.
Nur wenig später begegnen wir dem südwärts fahrenden Schiff der Hurtigruten, der “MS Nordkapp”, was unseren Kapitän zu einer weiteren Durchsage veranlasst – und mich endgültig zum Aufstehen verleitet. Ich ziehe kurz einen Pullover über und gehe mit Fotoapparat bewaffnet an Deck, um das Ereignis im Bild festzuhalten. Ich hoffe, dass es nicht wieder so bewölkt ist, so dass jetzt (wir sind immerhin in Nordnorwegen angekommen) auch mal der eine oder andere Berg mit schneebedeckter Spitze zu erkennen ist.
Es kommt jedoch viel besser: es ist praktisch windstill, der Himmel ist blau gefärbt und um uns herum liegt eine traumhafte Winterlandschaft – besser kann es auf keinem Werbefoto aussehen.
An dieser Landschaft kann man sich unmöglich satt sehen; oder anders gesagt: die deutsche Sprache hält kein geeignetes Wort bereit, um den Eindruck, der sich hier bietet, adäquat zu beschreiben – es muss also bei dem Versuch bleiben.
Zunächst ist aber erst einmal Frühstücken angesagt. Die Details erspare ich mir an dieser Stelle, das Buffet gleicht dem gestrigen (und ist damit genauso abwechslungsreich und wohlschmeckend).
Bis zu unserer Ankunft in Bodø um 12.30 Uhr verbringe ich die restliche Zeit entweder an Deck oder im Panoramasalon und genieße die nicht endend wollende Aussicht auf die norwegische Winterlandschaft.
In Bodø angekommen entschließe ich mich aufgrund des hervorragenden Wetters kurzfristig zur Teilnahme an einem Landausflug zum Saltstraumen. Hierbei handelt es sich um eine Gezeitenströmung, die als stärkster Mahlstrom der Welt gilt. Das Wasser bekommt in dieser nur 150 m breiten und 3 km langen Meerenge eine Spitzengeschwindigkeit von knapp 40 km/h und hat in den sich dadurch bildenden Strudeln schon manchen Seefahrer sein Ziel nicht erreichen lassen.
Zwar wird bei unserem Besuch diese Spitzengeschwindigkeit nicht erreicht; deutlich zu erkennen ist jedoch die Strudelbildung und die Gewalt, die hier zwischen Ebbe und Flut zu erleben ist.
So nebenbei ist die Busfahrt durch rund 30 km Winterlandschaft mit ihren farbigen Holzhäusern, den schneebedeckten Bergen, den kleinen Fjorden ein Erlebnis für sich – gut dass die Zeit der Diafilme vorbei ist …
Pünktlich zur Abfahrt der MS Trollfjord erreichen wir unser Schiff und setzen unsere winterliche Fahrt fort. Noch vor Erreichen der Lofoten wird es leider dunkel, so dass mir die Gebirgskette erst auf der Rückfahrt von Kirkenes nach Trondheim ihre Schönheit offenbaren darf – zum Glück habe ich auf Heike gehört und die komplette Route gebucht …
Bevor wir um 21.00 Uhr in Svolvær ankommen, ist zunächst aber mal “Middag” (norwegisch für Abendessen) angesagt. Heute beginnt das Menü mit einer Blumenkohlsuppe, gefolgt von einem gebratenen Meeressaibling mit Kartoffeln an Spargel und einem Panna Cotta zum Abschluss. Und wie an den ersten drei Tagen gibt es auch heute am Essen nicht nur nichts zu Meckern sondern nur Lob zu verteilen – einfach lecker!
“Magic Ice” – so heißt die “Kunst unter dem Gefrierpunkt” in der Hauptstadt der Lofoten, Svolvær ). Wir legen um 21.00 Uhr hier an und finden direkt am Kai den Eingang zur 500 m² großen Halle, in deren Mittelpunkt Menschen in Fischerdörfern zwischen steilen Felswänden und dem weiten Meer stehen. Kunstwerke aus durchsichtigem Eis, stilvoll illuminiert und von Kerzenlicht eingerahmt, sind hier zu bewundern. Das ist natürlich wieder mal eine Gelegenheit für ein paar nette Fotos – diese Idee haben allerdings auch die anderen Besucher.
Ich habe das Stativ noch nicht fest geschraubt, da blitzt und leuchtet es aus allen Rohren … der Plan, die Objekte möglichst ohne Blitzlicht auf die Speicherkarte zu bannen (und damit die Stimmung zumindest ansatzweise einzufangen), droht zu scheitern. Eine Belichtungszeit von zwei, drei Sekunden ist praktisch nicht zu erreichen, ohne dass jemand dazwischenblitzt oder zumindest den Autofokus bemüht (der sich dazu wiederum dieses wunderbaren roten Lichtes bedient).
Da hilft nur antizyklisches Verhalten – also erst an die Bar am Ende der Ausstellung (im Übrigen komplett aus Eis gestaltet) und den Abschlussdrink genommen (was immer auch ein “typisches nordnorwegisches Getränk ist”) und dann noch mal rein in die Ausstellung und in Ruhe den Plan verwirklicht [@René: Das Gorilla-Pad ist absolut genial – das Ding krallt sich um jede Eisskulptur ;-)]
Bevor ich jetzt aber wieder auf dem Schiff verschwinde noch ein kleiner Reisetipp für Magic-Ice (Danke, Heike!): das bereits erwähnte Getränk wird aus handgemachten Eis-Gläsern serviert – und die sind – wen wundert’s – eiskalt. Also: unbedingt Handschuhe mitnehmen!
Eine Stunde später geht es auch schon weiter: Die Häfen der Nacht heißen Stokmarnes (1.00 Uhr), Sortland (3.00 Uhr), Risøyhamn (4.30 Uhr) und Harstadt (6.45 Uhr), die See scheint ruhig zu sein (ist aber zwischen den vielen Inseln hier auch nicht anders zu erwarten) und von Nordlicht ist leider auch nichts zu sehen …
© Reisebericht und Bilder von Harald Manger